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Konzert mit Rückenwind

Es war ein großartiges Projekt, das mit dem Konzert am 15. Juni in der Schlossgartenhalle Ettlingen seinen Abschluss fand. Zum ersten Mal musizierten JZO und BZO gemeinsam und unterstützt von einer Bläsergruppe und Schlagwerk.

Eröffnet wurde das Konzert mit dem ersten Satz aus der 3. Sinfonie von Louise Farrenc. Dieser Satz hatte den Anstoß zu diesem sinfonischen Projekt gegeben. Zu ihren Lebzeiten waren Farrencs Werke recht bekannt gewesen, danach gerieten sie zu Unrecht in Vergessenheit. Der Satz entfaltete seine ganze Wirkung im reizvollen Wechselspiel von Zupfinstrumenten, Bläsern und Pauke. Unser Dirigent Jan-Paul Reinke hatte sichtlich Freude daran, die sinfonische Besetzung zu dirigieren und zeigte sich Bestform.

Das Intermezzo sinfonico von Pietro Mascagni leitete über zur Verleihung des Arnold-Sesterheim-Preises an zwei junge Gitarristen, die sich im Anschluss musikalisch präsentierten: Cristiano Amato überzeugte mit Capricho árabe von Francisco Tárrega und Luis Peixoto Cordeiro spielte wunderbar einfühlsam Tango en Skaï von Roland Dyens.

In der Pause sorgten Mitglieder des Mandolinenorchesters Ettlingen für eine kleine Stärkung.

Nach der Pause übernahm Isabel González Villar es, das Orchester durch das Werk Pandoras Harfe für Zupforchester von Silvan Wagner zu leiten. Dieses Werk bezieht sich auf den antiken Pandora-Mythos, allerdings nicht tonmalerisch, sondern durch eine spezielle Kompositionstechnik, der wiederum eine bestimmte Übersetzung des Mythos zugrunde liegt (für Eingeweihte: Stichwort Dependenzgrammatik). Die Harfe steht sinnbildlich für das Orchester, das wie ein großes Instrument die verschiedenen kompositorischen und inhaltlichen Stränge miteinander verbindet.

Der wunderbare 2. Satz aus der 4. Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy, der auf Carl Friedrich Zelters Vertonung von Goethes Ballade Es war ein König in Thule beruht, versöhnte mit dem gelegentlich doch etwas spröden Klangerlebnis von Pandoras Harfe.

Zum Ende des Konzertprogramms wurde es mit Christopher Grafschmidts Extrablatt II politisch und aktuell, da sich die vier Sätze auf Ereignisse der unmittelbaren Zeitgeschichte beziehen. Wobei, so Christopher Grafschmidt, der souverän und informativ durch das Programm führte, der Unterschied zur Antike eigentlich marginal sei. Man habe nicht den Eindruck, dass die Menschen seither grundlegend etwas dazu gelernt hätten. Der 1. Satz Flügel gestutzt, nichts genutzt handelt von einer Partei, deren Kürzel ausschließlich aus Tonbuchstaben besteht und die eher erfolglos versucht hat, ihren rechten Flügel zu stutzen. Der zweite Satz čerā? ist der jungen Kurdin Mahsa Amini gewidmet, die im September 2022 wegen eines geringfügigen Verstoßes gegen die stattliche Kleiderordnung von der iranischen Sittenpolizei verhaftet wurde und im Gefängnis zu Tode kam. Der Titel des 3. Satzes Opir bedeutet auf Ukrainisch Widerstand. Der 4. Satz Exit of a mad king entstand nach der US-amerikanischen Präsidentenwahl 2020, aber noch vor dem 6. Januar 2021 (Sturm auf das Capitol). Auch in diesem mitreißenden und berührenden Werk zeigte sich eindrucksvoll, wie gut sich Zupfinstrumente, Bläser und Schlagwerk ergänzen.

Als Zugabe gab es schließlich die Farandole aus der 2. Arlesienne-Suite von Georges Bizet.

Ich glaube, es war ein tolles Konzert, auf jeden Fall war es wunderbar, in einem so großen – sinfonischen – Orchester mit viel „Rückenwind“ zu spielen.

Abschließend bleibt mir allen zu danken, die zum Gelingen dieses Konzertabends beigetragen haben.


Diemut Zittel




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