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Musique sans frontières (Teil 1)

März 2021: Erste Pläne werden geschmiedet für eine visite rapide bei Mandolinissimo, einem noch sehr jungen orchestre à plectre inter-régional, das in den Regionen Bourgogne-Franche-Comté und Auvergne-Rhône-Alpes aktiv ist – also, grob gesagt, zwischen Dijon und Lyon.


9. Juni 2023: Wir besteigen den Bus Richtung Süden. Manchmal braucht es einfach einen langen Atem sowie Zeit und Nerven, Anträge für nötige Finanzspritzen zu stellen – und bewilligt zu bekommen (dem Goethe-Institut und dem Deutsch-Französischen Bürgerfonds sei gedankt).


Ungleich kürzer ist die Fahrt bis zu unserem Zwischenstopp in Beaune am Nordrand des Mandolinissimo-Einzugsgebiets, wo wir mit „unserem Mann in Frankreich“ Raphaël Rein zusammentreffen, einem mandolinistischen Grenzgänger, der hüben wie drüben aktiv ist und die ersten Kontakte vermittelt hat. Beaune ist ein malerischer Ort, dessen Ursprung im Spätmittelalter zu finden ist. Er gilt als Weinhauptstadt des Burgunds, sein Untergrund ist von 60 Kilometer Weinkellern durchzogen. Ein überirdisches Schmuckstück ist das 1443 erbaute Hôtel-Dieu mit seinen farbigen Dächern, das noch bis weit ins 20. Jahrhundert als Hospital genutzt wurde. Beaune beherbergt darüber hinaus die letzte sich noch in Familienbesitz befindliche Senfmühle der Region. Mit einem überaus genussreichen Mahl in einer der ersten Brasserien am Platz klingt der erste Abend bei unseren französischen Nachbarn aus.


Am nächsten Morgen geht es weiter nach Roanne, einem von mehreren Flüssen umgebenen Städtchen, das aufgrund seiner strategisch günstigen Lage bereits zur Zeit der Kelten und Römer besiedelt war. Heute ist dort u.a. das Zupforchester Estudiantina de Roanne beheimatet, das uns als Unterstützer vor Ort gemeinsam mit den bereits eifrig probenden Mandolinissimi herzlich willkommen heißt. Einen Snack später geht auch das BZO zunächst in Klausur, bevor dann unser Dirigent Jan-Paul Reinke mit einem 60-köpfigen, paritätisch besetzten orchestre de l’amitié franco-allemande die gemeinsamen Stücke diplomatisch auf Kurs bringt. Auch diesen Tag lassen wir kulinarisch wie Gott in Frankreich ausklingen und speisen gemeinsam mit unseren neuen Freunden oberhalb des idyllisch in den Gorges de la Loire gelegenen Château de la Roche – eigentlich thront das Schlösschen auf einem Felsen, wird jedoch seit dem Bau eines Staudamms 1982 von der Loire umspült.


Für Sonntag haben die Veranstalter in Roanne zu einer in Frankreich eher unüblichen Matinee in die Salle Fantalon geladen – schließlich wollen wir zu einer alltagsverträglichen Zeit wieder zu Hause sein. Das BZO erweist zu Beginn seinen Gastgebern mit Werken von Louise Farrenc (1. Satz aus der Symphonie Nr. 3) und Léon Boëllmann (Prière à Notre Dame) seine Reverenz, nutzt das Gebet als Brücke zu La oración del torero von Joaquín Turina und beschließt seinen Part ebenso sinnig wie publikumsfreundlich mit dem Intermezzo sinfonico aus Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana.


Mit doppelter Orchesterstärke begleiten daraufhin BZO und Mandolinissimo eine einzelne Mandoline – und das funktioniert prächtig, natürlich auch dank der Professionalität der Solistin Natalia Korsak (zugleich Dirigentin von Mandolinissimo). Der 1. Satz aus dem 2. Mandolinenkonzert von Raffaele Calace hat es in der Solostimme, wie zu erwarten, in sich, und die Darbietung steht dem in nichts nach. Chapeau! Zum Abschluss stürzt sich das Orchester todesmutig in Niflheimers letzte Fahrt aus Christopher Grafschmidts Schattenreich, holt damit noch etwas Nachspielzeit heraus, die es mit Swanee von George Gershwin zu einem versöhnlichen Ende bringt. Jedenfalls blieb die Schlange beim anschließenden, von Estudiantina und Mandolinissimo ausgerichteten Buffet ganz im europäischen Geist friedlich, sodass wir mit Freude und Zuversicht auf die Wiederauflage Ende Oktober im nördlichen Elsass blicken.


In diesem Sinne: A bientôt à Haguenau!


Christopher Grafschmidt



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